Sitzung: 14.05.2019 Bau-, Wirtschafts- und Verkehrsausschuss
18.10
Uhr erscheint Herr Schönemann zur heutigen Sitzung.
Frau Hübner, Sachgebietsleiterin Naturschutz und Forsten im Umweltamt,
berichtet wie folgt über oben genannte Problematik:
Bekanntermaßen
sind erneuerbare Energien das Hauptziel unserer Umweltpolitik und davon sind
Windkraftanlagen (WKA) ein bedeutender Teil. Seit Ende des vergangenen Jahres
gibt es einen neuen Leitfaden - Artenschutz an Windenergieanlagen. Bisher ist
bereits eine
große Anzahl
von WKAen errichtet worden. In Sachsen-Anhalt sind das bis 2017 insgesamt 2863
WKAen. Damit ist das Land flächenmäßig weitgehend erschlossen.
Die erste
Euphorie für die Errichtung von WKAen musste jetzt der Erkenntnis weichen, dass
WKAen nicht an allen Standorten uneingeschränkt errichtet werden können. Das
Land Sachsen-Anhalt hat bereits frühzeitig raumordnerische Prämissen gesetzt
und
Vorranggebiete
für WKAen ausgewiesen sowie Ausschlusskriterien und Tabuzonen
erarbeitet.
Ein
Ausschlusskriterium sind artenschutzrechtliche Aspekte. Anhand von Schlagopfern
von Vögeln und auch Fledermäusen wurde der negative Einfluss bekannt und
deshalb das
sogenannte
Helgoländer Papier erarbeitet und Abstandsflächen zu Horsten und
Fledermausquartieren
festgelegt. Diese wurden in der neuen Leitlinie überarbeitet und
Untersuchungsrahmen
festgelegt, so dass es nun ein einheitliches Instrument zur Schaffung von
Planungssicherheit gibt. Die Leitlinie kann auf der Homepage des Landes
eingesehen und heruntergeladen werden.
Im Landkreis
Anhalt-Bitterfeld gibt es bisher 235 WKAen mit Standorten von 5 bis 32 WKAen
als Windparke. Der Prozess geht jetzt eher in die Richtung des Repowering. Es
ist leicht
vorstellbar,
dass die WKAen bestimmte Barrierewirkungen entfalten und nicht jeder Standort
zur Errichtung einer WKA geeignet ist.
Eine besondere
artenschutzrechtliche Verantwortung trägt das Land Sachsen-Anhalt für den
Rotmilan. Von dieser Greifvogelart lebt der überwiegende Teil der
Weltpopulation in Deutschland und davon mehr als die Hälfte in Sachsen-Anhalt.
In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass gerade Greifvögel zu den
„bevorzugten“ Schlagopfern bei WKAen zählen. Deswegen hat man erkannt, dass
etwas für den Rotmilan getan werden muss. Der Abstand zwischen Rotmilanhorst
und WKA wurde von 1000 m jetzt auf 1500 m erhöht. Am Anfang der Errichtung von
WKAen war nicht wirklich klar, welche Auswirkungen zu erwarten sind. Je mehr
Anlagen errichtet wurden, desto mehr konnte auch gezielt untersucht werden; für
neue Anlagen kann jetzt ein Untersuchungsrahmen im Vorfeld abgesteckt werden.
Bei einer
großflächigen Prozessstudie im Auftrag der Bundesregierung wurde festgestellt,
dass 57 Vogelarten beeinträchtigt werden. Im wesentlichen Greifvögel, aber auch
Singvögel sowie rastende und ziehende Vogelarten wie Gänse. Die kartierten
Verluste werden in einer zentralen Datei der Vogelschutzwarten für alle
Bundesländer erfasst. Im Landkreis sind
Verluste, vor
allem für Wörbzig, Treppichau und Zerbst bekannt und reichen von Rotmilan,
Turmfalken, Mauerseglern bis zu Feldlerchen und Winter- und Sommergoldhähnchen.
Nach Aussage der Prozessstudie ist auch der Mäusebussard besonders betroffen.
Wenn wir
einerseits den Energiebedarf aus erneuerbaren Energien decken wollen, haben wir
andererseits jedoch auch die Verantwortung, die Artenvielfalt zu erhalten und
für diese
Vorsorge zu
tragen. Greifvögel sind deshalb besonders betroffen, weil die Vermehrungsrate
niedriger ist als bei Singvögeln und somit Verluste schlechter auszugleichen
und damit
Auswirkungen
auf die lokale Population nicht selten sind. Es geht nicht nur um den Verlust
von einzelnen Tieren. sondern in wie weit sich dieser Verlust auf die lokale
Population
auswirkt - ein
signifikant erhöhtes Tötungsrisiko besteht. Sehr häufig sind Greifvögel,
Mauersegler
und Feldlerchen betroffen. Bei der Feldlerche kommt zusätzlich erschwerend der
Verlust von natürlichen Lebensräumen durch die intensive Landwirtschaft hinzu,
so dass sich die Verluste kumulieren. Die Schlagopfersuche ist oft schwierig
und mit Fehlern
behaftet, weil
großflächige Erfassungen nach Voranmeldung mit hohen Personalaufwand und ohne
Berücksichtigung von nächtlichen Prädatoren erfolgt. Greifvögel erkennen die
WKAen nicht als Gefährdungspotential. Raumnutzungsanalysen haben gezeigt, dass
WKAen auch zur
Nahrungssuche beflogen werden; dies ist abhängig vom Anbau und der Nutzung der
Feldfrüchte.
Ausschlusskriterien
bei der Standortauswahl für WKAen sind Naturschutzgebiete,
Geschützte
Landschaftsbestanteile, Geschützte Biotope, Natura 2000-Gebiete und Wald sowie
das Vorkommen besonders und streng geschützter Arten.
In den letzten
Jahren wurde auch festgestellt, dass Fledermäuse besonders
schlagopfergefährdet
sind, vor allem die Arten: Kleiner und Großer Abendsegler,
Rauhhautfledermaus
und die Mückenfledermaus. Sie fliegen in sehr unterschiedlichen
Höhen und
zeigen zum Teil auch ein ausgeprägtes Zugverhalten - ähnlich den Vögeln.
Um hier
Planungsunsicherheiten zu schaffen und Schlagopfer zu vermeiden, werden im
Einzelfall
Abschaltzeiten und temporäre Betriebszeiten für die WKAen festgelegt;
gegebenenfalls
kommt es zu Standortverschiebungen.
Im Anschluss an ihre Berichterstattung werden aufkommende Anfragen der
Ausschussmitglieder von Frau Hübner direkt beantwortet.