18.10 Uhr erscheint Herr Schönemann zur heutigen Sitzung.

 

Frau Hübner, Sachgebietsleiterin Naturschutz und Forsten im Umweltamt, berichtet wie folgt über oben genannte Problematik:

 

Bekanntermaßen sind erneuerbare Energien das Hauptziel unserer Umweltpolitik und davon sind Windkraftanlagen (WKA) ein bedeutender Teil. Seit Ende des vergangenen Jahres gibt es einen neuen Leitfaden - Artenschutz an Windenergieanlagen. Bisher ist bereits eine

große Anzahl von WKAen errichtet worden. In Sachsen-Anhalt sind das bis 2017 insgesamt 2863 WKAen. Damit ist das Land flächenmäßig weitgehend erschlossen.

 

Die erste Euphorie für die Errichtung von WKAen musste jetzt der Erkenntnis weichen, dass WKAen nicht an allen Standorten uneingeschränkt errichtet werden können. Das Land Sachsen-Anhalt hat bereits frühzeitig raumordnerische Prämissen gesetzt und

Vorranggebiete für WKAen ausgewiesen sowie Ausschlusskriterien und Tabuzonen

erarbeitet.

 

Ein Ausschlusskriterium sind artenschutzrechtliche Aspekte. Anhand von Schlagopfern von Vögeln und auch Fledermäusen wurde der negative Einfluss bekannt und deshalb das

sogenannte Helgoländer Papier erarbeitet und Abstandsflächen zu Horsten und

Fledermausquartieren festgelegt. Diese wurden in der neuen Leitlinie überarbeitet und

Untersuchungsrahmen festgelegt, so dass es nun ein einheitliches Instrument zur Schaffung von Planungssicherheit gibt. Die Leitlinie kann auf der Homepage des Landes eingesehen und heruntergeladen werden.

 

Im Landkreis Anhalt-Bitterfeld gibt es bisher 235 WKAen mit Standorten von 5 bis 32 WKAen als Windparke. Der Prozess geht jetzt eher in die Richtung des Repowering. Es ist leicht

vorstellbar, dass die WKAen bestimmte Barrierewirkungen entfalten und nicht jeder Standort zur Errichtung einer WKA geeignet ist.

 

Eine besondere artenschutzrechtliche Verantwortung trägt das Land Sachsen-Anhalt für den Rotmilan. Von dieser Greifvogelart lebt der überwiegende Teil der Weltpopulation in Deutschland und davon mehr als die Hälfte in Sachsen-Anhalt. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass gerade Greifvögel zu den „bevorzugten“ Schlagopfern bei WKAen zählen. Deswegen hat man erkannt, dass etwas für den Rotmilan getan werden muss. Der Abstand zwischen Rotmilanhorst und WKA wurde von 1000 m jetzt auf 1500 m erhöht. Am Anfang der Errichtung von WKAen war nicht wirklich klar, welche Auswirkungen zu erwarten sind. Je mehr Anlagen errichtet wurden, desto mehr konnte auch gezielt untersucht werden; für neue Anlagen kann jetzt ein Untersuchungsrahmen im Vorfeld abgesteckt werden.

 

Bei einer großflächigen Prozessstudie im Auftrag der Bundesregierung wurde festgestellt, dass 57 Vogelarten beeinträchtigt werden. Im wesentlichen Greifvögel, aber auch Singvögel sowie rastende und ziehende Vogelarten wie Gänse. Die kartierten Verluste werden in einer zentralen Datei der Vogelschutzwarten für alle Bundesländer erfasst. Im Landkreis sind

Verluste, vor allem für Wörbzig, Treppichau und Zerbst bekannt und reichen von Rotmilan, Turmfalken, Mauerseglern bis zu Feldlerchen und Winter- und Sommergoldhähnchen. Nach Aussage der Prozessstudie ist auch der Mäusebussard besonders betroffen.

 

Wenn wir einerseits den Energiebedarf aus erneuerbaren Energien decken wollen, haben wir andererseits jedoch auch die Verantwortung, die Artenvielfalt zu erhalten und für diese

Vorsorge zu tragen. Greifvögel sind deshalb besonders betroffen, weil die Vermehrungsrate niedriger ist als bei Singvögeln und somit Verluste schlechter auszugleichen und damit

Auswirkungen auf die lokale Population nicht selten sind. Es geht nicht nur um den Verlust von einzelnen Tieren. sondern in wie weit sich dieser Verlust auf die lokale Population

auswirkt - ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko besteht. Sehr häufig sind Greifvögel,

Mauersegler und Feldlerchen betroffen. Bei der Feldlerche kommt zusätzlich erschwerend der Verlust von natürlichen Lebensräumen durch die intensive Landwirtschaft hinzu, so dass sich die Verluste kumulieren. Die Schlagopfersuche ist oft schwierig und mit Fehlern

behaftet, weil großflächige Erfassungen nach Voranmeldung mit hohen Personalaufwand und ohne Berücksichtigung von nächtlichen Prädatoren erfolgt. Greifvögel erkennen die WKAen nicht als Gefährdungspotential. Raumnutzungsanalysen haben gezeigt, dass

WKAen auch zur Nahrungssuche beflogen werden; dies ist abhängig vom Anbau und der Nutzung der Feldfrüchte.

 

Ausschlusskriterien bei der Standortauswahl für WKAen sind Naturschutzgebiete,

Geschützte Landschaftsbestanteile, Geschützte Biotope, Natura 2000-Gebiete und Wald sowie das Vorkommen besonders und streng geschützter Arten.

 

In den letzten Jahren wurde auch festgestellt, dass Fledermäuse besonders

schlagopfergefährdet sind, vor allem die Arten: Kleiner und Großer Abendsegler,

Rauhhautfledermaus und die Mückenfledermaus. Sie fliegen in sehr unterschiedlichen

Höhen und zeigen zum Teil auch ein ausgeprägtes Zugverhalten - ähnlich den Vögeln.

Um hier Planungsunsicherheiten zu schaffen und Schlagopfer zu vermeiden, werden im

Einzelfall Abschaltzeiten und temporäre Betriebszeiten für die WKAen festgelegt;

gegebenenfalls kommt es zu Standortverschiebungen.

 

Im Anschluss an ihre Berichterstattung werden aufkommende Anfragen der

Ausschussmitglieder von Frau Hübner direkt beantwortet.