Sitzung: 01.09.2020 Bau-, Wirtschafts-, Verkehrs-, Umwelt- und Landwirtschaftsausschuss
Herr Stoye (Amtsleiter des Amtes für Brand-, Katastrophenschutz und
Rettungsdienst) teilt mit, dass er in der heutigen BWV-Ausschusssitzung den
Mitgliedern einen Einblick in die Hintergründe bezüglich der Notwendigkeit
eines Neubaus der Leitstelle geben möchte und verdeutlicht dies wie folgt:
Der Landkreis Anhalt-Bitterfeld betreibt nach dem Brandschutz- und
Hilfeleistungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt und nach dem
Rettungsdienstgesetz des Landes Sachsen-Anhalt eine sogenannte integrierte
Leitstelle am Standort Bitterfeld.
Diese integrierte Leitstelle in der jetzigen Form besteht seit dem Jahr
2006/2007, erst für den Altkreis Bitterfeld allein, nach der Fusion 2007
zusätzlich für die Altkreise Köthen und Zerbst.
Diese Leitstelle ist Anlaufpunkt für alle Bürgerinnen und Bürger des
Landkreises bezüglich Hilfeersuchen rettungsdienstlicher Art, Feuerwehrersuchen
und aller anderen Ersuchen wo Hilfe benötigt wird.
Als Leitsystem wird hier eine Software der Firma Siemens, ein
sogenanntes gemietetes
Vollsystem, genutzt. Darunter versteht man, dass das Vollsystem aus der
Software, dem Leitsystem und allem was damit zusammenhängt, dem kompletten
Technikteil, das heißt
EDV-Technik, einschließlich der kompletten Einrichtung wie
Leitstellentische etc. besteht.
Das bedeutet, dass für dieses gemietete Vollsystem einschließlich
Service und Wartung
jährlich eine entsprechende Miete gezahlt wird. Ebenso in dieser
Leistung ist bei Bedarf der Austausch gewisser technischer Komponenten
enthalten.
Nach dieser kurzen Einleitung kommt Herr Stoye auf den Fakt zu sprechen,
weshalb nur ein Neubau der Leitstelle in Frage kommt.
Die Firma Siemens hat vor längerer Zeit
angekündigt, dass sie spätestens mit Beginn des Jahres 2025 nicht mehr im
Geschäftsfeld der sogenannten BOS-Leitstellen (Behörden und Organisationen mit
Sicherheitsaufgaben) tätig sein wird.
Für den Landkreis Anhalt-Bitterfeld bedeutet dies konkret, dass der
bestehende Vertrag bis Ende 2021 läuft mit der Option einer
Vertragsverlängerung für weitere drei Jahre. Das heißt, nach dem 31.12.2024
bedient Firma Siemens keine Leitstellen mehr im Rahmen von BOS.
Damit steht also für den Landkreis die Aufgabe, spätestens zum
31.12.2024 über eine neue funktionierende Leiststelle zu verfügen. In der Folge
wurden verschiedene Varianten
untersucht, in deren Ergebnis 5 dieser Varianten näher betrachtet und
analysiert wurden.
- Nutzung der
Räumlichkeiten der ehemaligen Leitstelle (bis 2006) in der
Richard-Schütze-Straße 6 in
Bitterfeld
·
Die Räumlichkeiten sind inzwischen aufgrund der Errichtung
eines großen
Technikraumes vor ein paar
Jahren nicht mehr ausreichend.
- Einbau der neuen
Leitstelle in die jetzige Leitstelle
·
Eine neue Leitstelle in eine vorhandene Leitstelle bei
laufendem Betrieb
Einzubauen, ist unmöglich.
- Aufstockung des
jetzigen Leitstellengebäudes um eine Etage
·
Nach Rücksprache mit dem Bauamt und dem Statiker lässt dieses
Gebäude eine Aufstockung aus statischer Sicht nicht zu.
- Aufgaben der
Leitstelle einer anderen Gebietskörperschaft übertragen
·
Negative Wirkung für den Landkreis
·
kein Zugriff mehr auf die Aufgabenerfüllung,
kein Zugriff mehr auf die
Koordinierung z. B. rettungsdienstlicher Einsätze
·
Großschadensereignisse oder Katastrophen werden in der Regel
nicht von einer fremden Gebietskörperschaft koordiniert, das heißt, die
Zuständigkeit liegt beim Landkreis selbst
- Neubau einer
Leitstelle auf dem Gelände des BKR
·
Die Fläche des Geländes BKR lässt es zu, hier einen Neubau in
einer
zweigeschossigen Bauform
(Erd- und Obergeschoss) zu errichten.
·
Im Erdgeschoss ist die Unterbringung eines entsprechend
großen
Technikraumes, der Räume
für die Systembetreuer, Umkleideräume und
Toiletten und im Obergeschoss
eines großen erweiterbaren Leitstellenraumes, der für mindestens sechs
Leitstellentische und auch darüber hinaus ausgelegt ist, vorgesehen.
Bezüglich der zuletzt vorgestellten Variante „Neubau Leitstelle“ wurde
bereits im letzten
Jahr durch das Amt für Hochbau, Tiefbau und Gebäudemanagement eine
Kostenschätzung erarbeitet. Daraus resultieren diese 1.600.000,00 EUR
Baukosten.
Im Weiteren wurde nach Einstellung der Mittel im Haushalt diese Thematik
auch im Herbst 2019 im Rahmen der Haushaltsdiskussion auf politischer Ebene
besprochen und diskutiert.
Damit war für das Fachamt klar, dass der Neubau Leitstelle zur
Ausführung kommen kann, so Herr Stoye.
An dieser Stelle meldet sich der Landrat, Herr Schulze, zu Wort und lädt
die
Kreistagsmitglieder nach Bitterfeld in die Leitstelle ein, so dass sich
diese ein Bild über die dortige Situation und die unterbreiteten Vorschläge des
Amtsleiters BKR direkt vor Ort
machen zu können.
Herr Wolkenhaar nimmt den Vorschlag gern an und teilt mit, dass Herr
Northoff sicherlich eine Möglichkeit finden wird, einen Sonderbauausschuss in
Bitterfeld durchzuführen.
An Frau Bunge gewandt, fragt Herr Wolkenhaar, ob das noch im Oktober
reicht.
Frau Bunge teilt mit, dass der Zeitplan so ist, dass im
Vergabeausschuss, in dem der
Vergabevorschlag unterbreitet wurde, die Planungsleistungen hätten
vergeben werden
müssen. Das heißt, dass es keinen Handlungsspielraum mehr gibt.
Herr Schulze teilt mit, dass auch der Vergabeausschuss sich in
Bitterfeld zu einer Sitzung versammeln kann, um sich die Gegebenheiten vor Ort
anzuschauen.
Herr Schulze sagt klar und deutlich, dass der Landkreis eine eigene
Leitstelle braucht;
zuallererst für die Versorgung der Bevölkerung mit Rettungsmitteln und
auch als
Reaktionszentrale in Krisenzeiten. Die Hochwasserkatastrophen 2002 und
2013 hätten
gezeigt, wie notwendig es ist, vor Ort über eine solche Einrichtung zu
verfügen.
Herr Schulze appelliert noch einmal an die Ausschussmitglieder und
bittet um entsprechende Unterstützung, da das im Landkreis Anhalt-Bitterfeld
bestehende Leitstellenkonzept ein
gutes Konzept ist, das sich sowohl im Alltag als auch in Krisenzeiten
bewährt hat.
Herr Wolkenhaar teilt mit, dass er die Vergabe von Mitteln für Planungs-
und Bauleistungen im Vergabeausschuss nicht aus persönlichen Gründen
zurückgestellt hat, sondern aufgrund noch offener Fragen. Zum Beispiel sollte
man die Tatsache in Betracht ziehen, dass in
anderen Bundesländern Leitstellen aus Kostengründen und wegen anderer
Parameter
zusammengelegt werden und vielleicht wäre es sinnvoll, auch hier mal über
eine eventuelle Zusammenlegung der Leitstellen in Sachsen-Anhalt zu
diskutieren.
Herr Schulze äußert dazu, dass man das machen könne, jedoch stellen sich
in diesem
Zusammenhang die Fragen, zu welchem Zweck und wem ist damit gedient. Er
bekräftigt noch einmal deutlich seine Meinung, dass es eine klare Zuständigkeit
geben und diese auch vor Ort bleiben sollte.
Hier im Ausschuss steht eigentlich nur der Ersatz der Leitstelle zur
Diskussion, die Frage ist in welcher Art und Weise.
Es müssen jetzt die Vorbereitungen getroffen und das Zeitfenster
eingehalten werden aus vergabetechnischer und baulicher Sicht, um spätestens
Ende 2024 eine funktionstüchtige Leitstelle zu haben.
Herr Schulze betont, dass ihm die Sicherheit der Bevölkerung zu wichtig
sei und bittet von daher nochmals um entsprechende Unterstützung, dass dieses
Vorhaben zeitnah umgesetzt werden kann.
Herr Wolkenhaar erklärt, dass man „Eigene Leitstelle“ und „Neubau
Leitstelle“ ein Stück weit auseinanderhalten müsse und schließt sich der
Meinung des Landrates an, dass die eigene Leitstelle nicht ohne gesetzliche
Grundlage des Landes abgegeben werden sollte.
Worin jedoch sein Zweifel besteht, ist die Investition von
wahrscheinlich knapp 2 Mio. € für eine neue Leitstelle, obwohl doch eigentlich
nur die Technik erneuert werden muss.
Da sich Herr Wolkenhaar die Frage stellt, was mit dem Neubau passiert,
wenn dieser
beispielsweise irgendwann aufgrund gesetzlicher Vorgaben nicht mehr als
Leitstelle genutzt werden kann, bittet er um ein Nachnutzungskonzept /
Vorschlag für das entstehende
Gebäude seitens der Verwaltung.
Herr Schulze informiert, dass Gebäude des Landkreises Anhalt-Bitterfeld
im Normalfall
immer weiter genutzt werden.
Auch Herr Stoye lässt keinen Zweifel daran, dass es hinsichtlich einer
eventuell möglichen Nachnutzung Probleme geben könnte, da ohnehin über zu wenig
Räumlichkeiten für die Ausbildung im Rahmen der Brandschutzausbildung unserer
Feuerwehrkameraden, der
Katastrophenschutzausbildung und auch des Personals des Rettungsdienstes
verfügt wird.
Auch auf Anregung von Herrn Ehrlich schlägt Herr Wolkenhaar vor, dass
diese Thematik noch einmal in den Fraktionen diskutiert und erörtert wird.
Herr Wolkenhaar teilt mit, dass er diesbezüglich zu den einzelnen
Fraktionen Kontakt
aufnehmen wird, um zu erfragen, ob die Mitglieder mal eine Sitzung im
Amt BKR abhalten wollen oder auch der nächste Vergabeausschuss oder
BWV-Ausschuss in Bitterfeld tagen soll und um Rückmeldung bis nächste Woche
bitten.
Parallel dazu wird Herr Wolkenhaar Herrn Northoff kontaktieren, ob
dieser einen Sonder-BWV-Ausschuss durchführen möchte, der vor dem offiziell
nächsten Termin 20.10.2020 stattfindet.
Herr Schulze bringt seinen Unmut deutlich zum Ausdruck und äußert, dass
er die Intension nicht verstehe, denn man habe dieses Vorhaben im Rahmen des
Haushaltes intensiv
diskutiert und bekräftigt abschließend noch einmal seine Überzeugung,
dass ein Landkreis, eine Leitstelle, eine Zuständigkeit und eine Verantwortung
braucht.
Nach weiterer langwieriger Diskussion zwischen Herrn Wolkenhaar und
Herrn Schulze
bezüglich des vorgenannten Für und Wider zum Neubau der Leitstelle
meldet sich Herr
Berkenbusch zu Wort und beantragt gemäß der Geschäftsordnung des
Landkreises
Anhalt-Bitterfeld den Abbruch dieses Tagesordnungspunktes.
Daraufhin bittet Herr
Wolkenhaar die Ausschussmitglieder um Abstimmung, ob dieser
Tagesordnungspunkt
an dieser Stelle abgebrochen werden soll.
Durch die
Mitglieder des Fachausschusses für Bau, Wirtschaft und Verkehr erfolgt die
Abstimmung mit
6 Ja-Stimmen und 1 Gegenstimme.
Weitere während der Berichterstattung aufkommende Fragen und Anregungen
der
Ausschussmitglieder wurden umfangreich diskutiert und direkt in der
heutigen Sitzung von Herrn Stoye und Herrn Schulze ausführlich beantwortet;
Anregungen wurden ebenfalls zur Kenntnis genommen.
19.10
Uhr verlässt Herr Honsa die heutige Sitzung.