Sitzung: 29.07.2021 Kreistag
Beschluss: mehrheitlich beschlossen
Abstimmung: Ja: 37, Nein: 3, Enthaltungen: 2
Vorlage: BV/0401/2021
Beschluss-Nr.: 105-15/2021
Widerspruch gegen die Beanstandung des Beschlusses
Nr. 057-08/2020 durch die Kommunal-aufsichtsbehörde
B e s c h l u s s:
- Die
Vertretung des Landkreises Anhalt-Bitterfeld stimmt zu, dass der Landrat
Widerspruch gegen die Beanstandungsverfügung des Landesverwaltungsamtes
vom 02.07.2021 Bezug nehmend auf den Beschluss 057-08/2020 „Gewährung
eines Zuschusses zum Wiederaufbau und zum Betrieb der Klinik
„Frauenheilkunde und Geburtshilfe in der Gesundheitszentrum Bitterfeld/Wolfen
gGmbH“ einlegt.
- Die
entsprechende Begründung wird zur Kreistagssitzung am 23.09.2021
vorgelegt.
Herr Heeg erklärte,
dass er zu dem Antrag mit nein abstimmen wird.
Herr Roi bat darum, dass allen Kreistagsmitgliedern die
Stellungnahme des Landkreises vom 22.04.2021 zur Verfügung gestellt wird. Das
Landesverwaltungsamt beziehe sich auf diese Stellung-nahme, in welcher der
Landkreis Anhalt-Bitterfeld einschätzt, dass es zu keiner Unterversorgung in
der Region gekommen ist. Herr Roi erklärte, dass die Fraktion AfD dies
anders sieht, auch aus den Rückmeldungen der Bürgerinnen und Bürger.
Weiterhin ginge es hier um die Wirtschaftlichkeit des
Klinikums, aber vor allem um eine Grund-versorgung des Altkreises Bitterfeld
insgesamt. Herr Roi erklärte, es sei nicht zielführend, nur
diese eine Klinik in ihrer Wirtschaftlichkeit zu betrachten. Ein Krankenhaus
gehört zur Infrastruktur, und sei nicht dafür da, damit Geld zu machen. Eine
Frauenklinik und Geburtenstation stelle eine Grundver-sorgung der Bevölkerung
dar.
Herr Roi erklärte, dass die Fraktion AfD dem Antrag heute zustimmen
wird.
Herr Grabner erklärte, dass der Landkreis die Einlegung des
Widerspruches empfiehlt. Man befindet sich derzeit in einer strategischen
Neuausrichtung, der Geschäftsführer bringt neue Ideen ein. Herr Grabner
bat darum, dem Geschäftsführer das Wort zu erteilen, um aus seiner Sicht die
Erfolgsaussichten darlegen zu können, dass man nicht im Gesamten auf die Anschub-finanzierung
angewiesen ist.
Weiterhin erklärte Herr Grabner, dass in der
Sachverhaltsdarstellung keine umfangreiche Begründung enthalten ist. Dies hänge
damit zusammen, dass man permanent im Gespräch mit der Geschäftsführung sei, um
die Strategie festzulegen. Zum anderen hängt dies mit dem Cyberangriff
zusammen. Der zuständige Sachbearbeiter, Herr Rosinsky, hat seit dem 09.07.2021
permanent mit Datenschutzaufgaben zu tun.
Ziel sei es, form- und fristwahrend Widerspruch gegenüber
dem Landesverwaltungsamt einzulegen. Hierzu habe Herr Grabner bereits
einen Termin beim Landesverwaltungsamt erfragt, um das Gespräch mit der
Kommunalaufsicht zu suchen und entsprechende Kompromissvorschläge anzubieten
und zu erfahren, mit welchen Maßgaben das Landesverwaltungsamt dem Widerspruch
des Landkreises abhelfen würde. Darüber hinaus gibt es eine Arbeitsgruppe,
welche sich mit den kommunalen Häusern im Land Sachsen-Anhalt befasst, hier
findet Mitte August die erste Tagung statt, um zu sehen, welche Möglichkeiten
bestehen, die kommunalen Häuser zu bündeln und damit die finanzielle Entlastung
für die kommunalen Häuser zu erreichen.
Herr Dr. Rottleb erklärte, dass er sich bereits bei seiner
Vorstellung im Kreistag vor 6 Wochen dazu positionierte, dass er es als
wesentlichen Baustein der strategischen Ausrichtung des Gesund-heitszentrum
sieht, die Gynäkologie und Geburtshilfe in Gänze wiederzueröffnen. Er sei davon
überzeugt, dass nur eine funktionierende Gynäkologie und Geburtshilfe auch ein
stabiler Fachbereich ist, den man in gewissen Grenzen und gewissen Abstrichen
wirtschaftlich betreiben kann. Er sieht hier die Möglichkeit, mittelfristig
nach einer Anlaufphase von 1 bis 2 Jahren nur noch geringe negative
Deckungsbeiträge zu erwirtschaften oder akzeptieren zu müssen, die dann durch
interne Deckungsbeiträge anderer leistungsfähiger Fachbereiche kompensiert
werden können. Somit soll eine
mittelfristige bis langfristige Subventionierung eines Fachbereiches nicht in
Rede stehen, sondern tatsächlich eine Anschubfinanzierung. Die sei notwendig, da die Situation jetzt eine andere ist
als noch vor einem Jahr. Seit einem Jahr gibt es keine Gynäkologie und
Geburtshilfe, einige Mitarbeiter arbeiten noch im Haus: 3 Hebammen, 7
gynäkologische Gesundheits- und Krankenpflegerinnen und keine Mitarbeiter im
ärztlichen Dienst, mit Ausnahme eines Gynäkologen, der im MVZ angestellt ist.
Der ganze Bereich wird wieder neu aufgebaut, dies ist mit Fristen verbunden. Herr
Dr. Rottleb erklärte weiterhin, dass nicht sofort, wenn das Personal
vorhanden ist, eine Geburtenrate von früher erreicht werden könne. Dies
benötige mindestens eine Anlaufphase von 1 bis 2 Jahren, da die neu
eingestellten Ärzte dann nicht in der Geburtsvorbereitungsphase der
Ansprechpartner für die werdenden Mütter waren und diese sich vorerst noch
anders orientieren, bis wieder Ansprechpartner in Bitterfeld vorhanden sind.
Weiter führte Herr Dr. Rottleb aus, dass
einige Gesundheits- und Krankenpfleger/-innen mit gynäkologischem Schwerpunkt
vorhanden sind sowie 3 Hebammen (eine 4. Hebamme wird neu eingestellt werden),
welche im Hinblick auf die Widereröffnung für die Übergangsphase als
Krankenpflegerinnen eingesetzt sind. Es werden derzeit vielversprechende
Gespräche mit einem 2er Team (1 Chefarzt und 1 leitender Oberarzt) geführt, die
sich vorstellen können, in Bitterfeld tätig zu werden. Diese wären fachlich
sehr gut geeignet, der neuen Abteilung auch ein neues Profil geben zu können
und die Abteilung zu führen, mit der die wirtschaftliche Situation zu erreichen
ist, die gebraucht wird, um mittelfristig nicht auf Zuschüsse angewiesen zu
sein.
Herr Hövelmann kritisierte, dass die Vorlage keine sachliche
Auseinandersetzung mit der Begründung des Landesverwaltungsamtes enthält. Wenn
ein Widerspruch eingelegt werden soll, muss auch erklärt werden, warum dies
getan wird, warum man mit der Verfügung des Landesverwaltungsamtes nicht
einverstanden ist. Herrn Hövelmann reiche es nicht, eine Ent-scheidung
über den Widerspruch herbeizuführen, wenn in der Vorlage nur formal erklärt
ist, dass Widerspruchsfrist bis zu einem bestimmten Termin einzulegen ist.
Herr Grabner erklärte, warum keine ausführliche Begründung der Vorlage
beigefügt war wie folgt: Zum einen arbeitet die Verwaltung noch an der
Erstellung, da diese teilweise abhängig sei von der Gesprächsgrundlage mit dem
Chefarzt und der Oberärztin, da sich hieraus wiederum Möglichkeiten ergeben
würden, Verhandlungen zu erweitern und damit weitere Einnahmen zu generieren.
Zum anderen trägt auch der Cyberangriff dazu bei, dass momentan keine weitreichende
Begründung erfolgen konnte. Ziel sei es, fristwahrend Widerspruch einzulegen.
Eine Begründung wird in Abstimmung mit dem Landesverwaltungsamt nachgereicht,
nachdem das persönliche Gespräch mit der oberen Kommunalaufsichtsbehörde
stattgefunden hat.
Herr Sonnenberger erklärte, dass die Fraktion Freie Wähler für den
Beschlussantrag stimmen wird, da zunächst erst einmal fristgerecht Widerspruch
eingelegt werden muss. Die Erarbeitung der Sachverhalte sei seit heute etwas
klarer, nach den Ausführungen des Geschäftsführers Dr. Rottleb.
Weiterhin seien für 2021 die Kosten in der
prognostizierten Höhe (3 Mio. Euro) nicht notwendig, das sollte ebenfalls ein
Argument dafür sein, insgesamt nun anders an die Sache heranzugehen – nicht das
Maximum an Verlust wählen, sondern erklären, was realistisch erreicht werden
kann, so Herr Sonnenberger.
Weiterhin forderte Herr Sonnenberger, dass der
Kreistag alsbald über die Sachdarstellung informiert werden sollte.
Herr Dittmann beantragte, eine Pause zur Abstimmung innerhalb der
Fraktionen einzulegen.
Zu diesem Geschäftsordnungsantrag gab es keine
Wortmeldungen und Herr Gatter ließ wie folgt abstimmen:
Der Antrag, eine Pause einzulegen, wurde einstimmig, bei 2
Enthaltungen, bestätigt.
Zuvor folgten noch folgende Wortmeldungen:
(Herr Zimmer gekommen = 41+1 = 76,36 %)
Frau Zoschke erklärte, dass sie die Beanstandung des
Landesverwaltungsamtes so erwartet habe. Das Landesverwaltungsamt schaue als
erstes auf die wirtschaftliche Situation einer Station in dem gesamten
Krankenhaus. Sie erinnerte an die lange Diskussion, inwieweit die wirtschaftliche
Situation dieser einen Station tatsächlich dazu führen sollte, dieses
Krankenhaus um diese Station zu reduzieren. Es handelt sich weiterhin um eine
politische Entscheidung, man sei nicht nur der wirtschaftlichen Situation einer
Station, sondern des ganzen Krankenhauses insgesamt verpflichtet, sowie den
Bürgerinnen und Bürgern.
Frau Zoschke erklärte weiterhin, dass man nicht davor zurückschrecken
sollte, nur weil das Landesverwaltungsamt aus seiner rechtlichen Sicht etwas
beurteilt. Es gehört mehr dazu, einen Landkreis zu lenken und zu leiten, dass
sei auch eine politische Aufgabe.
Sie bat darum, dem Widerspruch heute zuzustimmen.
Weiterhin bat sie den Landrat um zeitnahe Übersendung der
Widerspruchsbegründung an alle Kreistagsmitglieder.
Herr Ziegler bedankte sich für die umfangreichen Ausführungen des
Herrn Dr. Rottleb.
Herr Ziegler sagte nochmals eindringlich, dass die Stadt
Bitterfeld-Wolfen dringend eine Geburts- und Frauenklinik brauche und bat, dem
Widerspruch heute zuzustimmen.
Herr Schönemann bemängelte, dass die juristische Wertung zu diesem
Tagesordnungspunkt fehle. Weiterhin fehle ihm eine Vision, dass bestimmte
Problematiken durchgespielt und mitgeteilt werden. Was würde geschehen, wenn
heute der Beschluss gefasst wird, die Beanstandung des Landes-verwaltungsamtes
zu verwerfen? Wird dann Klage eingereicht, wird dieses Risiko eingegangen?
Diese Leitlinien fehlen bisher seitens des Landkreises.
Weiterhin fragte Herr Schönemann, ob die Hebammen
rein rechtlich andere Arbeiten ausführen dürfen? Wenn nein, wie werden diese
beschäftigt und bezahlt?
Herr Dr. Rottleb antworte hierauf, dass noch 3 Hebammen da sind, welche
als Pflegehilfskräfte tätig sind. Es ist zulässig, diese als solche in den
Stationsalltag zu integrieren. Die vierte Hebamme, die jetzt eingestellt wird,
wird übergangsweise auf der Kinderstation als Pflegehilfskraft eingesetzt
werden.
Herr Grabner erklärte weiterhin, dass an den Visionen derzeit
gearbeitet wird. Er bat um Entschuldigung, dass diese noch nicht abschließend
vorliegen. Es wurde schon das 3. Gespräch mit den beiden in Frage kommenden
Ärzten geführt und diese hatten bereits bestimmte Möglichkeiten aufgezeigt,
welche derzeit schriftlich festgehalten werden. Somit kann vermutlich
abgeschätzt werden, inwieweit diese vorgesehenen Zuschüsse beansprucht werden.
Die avisierten 6 Mio. Euro werden nicht aufgebraucht werden; dass es aber einen
Zuschuss für eine Anlaufphase geben wird, muss jedem bewusst sein.
Zur Frage der Klageeinreichung antwortete Herr Grabner,
dass diese dann die weitere Option wäre, was die Zeit und das Gespräch mit dem
Landesverwaltungsamt zeigen wird, inwieweit es zu einer möglichen
einzureichenden Klage kommen muss.
Herr Roi regte an, wenn der Landkreis in Widerspruch geht, dann muss
entsprechend argumentiert und dargelegt werden, wie sich die Situation im
Landkreis darstellt. Alle fünf Kommunen des Altkreises Anhalt-Bitterfeld sowie
52 % der Bürger des Landkreises haben sich für die Klinik ausgesprochen, dass
muss aus Sicht von Herrn Roi mit in die Begründung einfließen. Er schlug
vor, die Bürger-meister sowie die Fraktionsvorsitzenden bei der Erstellung der
Begründung mit einzubeziehen.
Herr Gatter unterbrach die Sitzung für eine 10-minütige Pause.
Herr Grabner griff den
Vorschlag der Fraktion SPD-Grüne auf und machte sich diesen zu eigen. Hierbei
soll der Beschlusstext um den Punkt 2 erweitert werden: „Die entsprechende
Begründung wird zur Kreistagssitzung am 23.09.2021 vorgelegt.“
Herr Gatter ließ sodann über die geänderte Vorlage wie folgt abstimmen:
Die geänderte Vorlage 0401/2021 wurde mehrheitlich mit 37 Ja-Stimmen und 3
Gegenstimmen, bei 2 Enthaltungen, bestätigt.