Beschluss: mehrheitlich beschlossen

Abstimmung: Ja: 37, Nein: 3, Enthaltungen: 2

Beschluss-Nr.: 105-15/2021

Widerspruch gegen die Beanstandung des Beschlusses Nr. 057-08/2020 durch die Kommunal-aufsichtsbehörde

 

B e s c h l u s s:

  1. Die Vertretung des Landkreises Anhalt-Bitterfeld stimmt zu, dass der Landrat Widerspruch gegen die Beanstandungsverfügung des Landesverwaltungsamtes vom 02.07.2021 Bezug nehmend auf den Beschluss 057-08/2020 „Gewährung eines Zuschusses zum Wiederaufbau und zum Betrieb der Klinik „Frauenheilkunde und Geburtshilfe in der Gesundheitszentrum Bitterfeld/Wolfen gGmbH“ einlegt.
  2. Die entsprechende Begründung wird zur Kreistagssitzung am 23.09.2021 vorgelegt.

 


Herr Heeg  erklärte, dass er zu dem Antrag mit nein abstimmen wird.

Herr Roi bat darum, dass allen Kreistagsmitgliedern die Stellungnahme des Landkreises vom 22.04.2021 zur Verfügung gestellt wird. Das Landesverwaltungsamt beziehe sich auf diese Stellung-nahme, in welcher der Landkreis Anhalt-Bitterfeld einschätzt, dass es zu keiner Unterversorgung in der Region gekommen ist. Herr Roi erklärte, dass die Fraktion AfD dies anders sieht, auch aus den Rückmeldungen der Bürgerinnen und Bürger.

Weiterhin ginge es hier um die Wirtschaftlichkeit des Klinikums, aber vor allem um eine Grund-versorgung des Altkreises Bitterfeld insgesamt. Herr Roi erklärte, es sei nicht zielführend, nur diese eine Klinik in ihrer Wirtschaftlichkeit zu betrachten. Ein Krankenhaus gehört zur Infrastruktur, und sei nicht dafür da, damit Geld zu machen. Eine Frauenklinik und Geburtenstation stelle eine Grundver-sorgung der Bevölkerung dar.

Herr Roi erklärte, dass die Fraktion AfD dem Antrag heute zustimmen wird.

 

Herr Grabner erklärte, dass der Landkreis die Einlegung des Widerspruches empfiehlt. Man befindet sich derzeit in einer strategischen Neuausrichtung, der Geschäftsführer bringt neue Ideen ein. Herr Grabner bat darum, dem Geschäftsführer das Wort zu erteilen, um aus seiner Sicht die Erfolgsaussichten darlegen zu können, dass man nicht im Gesamten auf die Anschub-finanzierung angewiesen ist.

Weiterhin erklärte Herr Grabner, dass in der Sachverhaltsdarstellung keine umfangreiche Begründung enthalten ist. Dies hänge damit zusammen, dass man permanent im Gespräch mit der Geschäftsführung sei, um die Strategie festzulegen. Zum anderen hängt dies mit dem Cyberangriff zusammen. Der zuständige Sachbearbeiter, Herr Rosinsky, hat seit dem 09.07.2021 permanent mit Datenschutzaufgaben zu tun.

Ziel sei es, form- und fristwahrend Widerspruch gegenüber dem Landesverwaltungsamt einzulegen. Hierzu habe Herr Grabner bereits einen Termin beim Landesverwaltungsamt erfragt, um das Gespräch mit der Kommunalaufsicht zu suchen und entsprechende Kompromissvorschläge anzubieten und zu erfahren, mit welchen Maßgaben das Landesverwaltungsamt dem Widerspruch des Landkreises abhelfen würde. Darüber hinaus gibt es eine Arbeitsgruppe, welche sich mit den kommunalen Häusern im Land Sachsen-Anhalt befasst, hier findet Mitte August die erste Tagung statt, um zu sehen, welche Möglichkeiten bestehen, die kommunalen Häuser zu bündeln und damit die finanzielle Entlastung für die kommunalen Häuser zu erreichen.

 

Herr Dr. Rottleb erklärte, dass er sich bereits bei seiner Vorstellung im Kreistag vor 6 Wochen dazu positionierte, dass er es als wesentlichen Baustein der strategischen Ausrichtung des Gesund-heitszentrum sieht, die Gynäkologie und Geburtshilfe in Gänze wiederzueröffnen. Er sei davon überzeugt, dass nur eine funktionierende Gynäkologie und Geburtshilfe auch ein stabiler Fachbereich ist, den man in gewissen Grenzen und gewissen Abstrichen wirtschaftlich betreiben kann. Er sieht hier die Möglichkeit, mittelfristig nach einer Anlaufphase von 1 bis 2 Jahren nur noch geringe negative Deckungsbeiträge zu erwirtschaften oder akzeptieren zu müssen, die dann durch interne Deckungsbeiträge anderer leistungsfähiger Fachbereiche kompensiert werden können. Somit soll eine mittelfristige bis langfristige Subventionierung eines Fachbereiches nicht in Rede stehen, sondern tatsächlich eine Anschubfinanzierung. Die sei notwendig, da die Situation jetzt eine andere ist als noch vor einem Jahr. Seit einem Jahr gibt es keine Gynäkologie und Geburtshilfe, einige Mitarbeiter arbeiten noch im Haus: 3 Hebammen, 7 gynäkologische Gesundheits- und Krankenpflegerinnen und keine Mitarbeiter im ärztlichen Dienst, mit Ausnahme eines Gynäkologen, der im MVZ angestellt ist. Der ganze Bereich wird wieder neu aufgebaut, dies ist mit Fristen verbunden. Herr Dr. Rottleb erklärte weiterhin, dass nicht sofort, wenn das Personal vorhanden ist, eine Geburtenrate von früher erreicht werden könne. Dies benötige mindestens eine Anlaufphase von 1 bis 2 Jahren, da die neu eingestellten Ärzte dann nicht in der Geburtsvorbereitungsphase der Ansprechpartner für die werdenden Mütter waren und diese sich vorerst noch anders orientieren, bis wieder Ansprechpartner in Bitterfeld vorhanden sind.

Weiter führte Herr Dr. Rottleb aus, dass einige Gesundheits- und Krankenpfleger/-innen mit gynäkologischem Schwerpunkt vorhanden sind sowie 3 Hebammen (eine 4. Hebamme wird neu eingestellt werden), welche im Hinblick auf die Widereröffnung für die Übergangsphase als Krankenpflegerinnen eingesetzt sind. Es werden derzeit vielversprechende Gespräche mit einem 2er Team (1 Chefarzt und 1 leitender Oberarzt) geführt, die sich vorstellen können, in Bitterfeld tätig zu werden. Diese wären fachlich sehr gut geeignet, der neuen Abteilung auch ein neues Profil geben zu können und die Abteilung zu führen, mit der die wirtschaftliche Situation zu erreichen ist, die gebraucht wird, um mittelfristig nicht auf Zuschüsse angewiesen zu sein.


Herr Hövelmann kritisierte, dass die Vorlage keine sachliche Auseinandersetzung mit der Begründung des Landesverwaltungsamtes enthält. Wenn ein Widerspruch eingelegt werden soll, muss auch erklärt werden, warum dies getan wird, warum man mit der Verfügung des Landesverwaltungsamtes nicht einverstanden ist. Herrn Hövelmann reiche es nicht, eine Ent-scheidung über den Widerspruch herbeizuführen, wenn in der Vorlage nur formal erklärt ist, dass Widerspruchsfrist bis zu einem bestimmten Termin einzulegen ist.

Herr Grabner erklärte, warum keine ausführliche Begründung der Vorlage beigefügt war wie folgt: Zum einen arbeitet die Verwaltung noch an der Erstellung, da diese teilweise abhängig sei von der Gesprächsgrundlage mit dem Chefarzt und der Oberärztin, da sich hieraus wiederum Möglichkeiten ergeben würden, Verhandlungen zu erweitern und damit weitere Einnahmen zu generieren. Zum anderen trägt auch der Cyberangriff dazu bei, dass momentan keine weitreichende Begründung erfolgen konnte. Ziel sei es, fristwahrend Widerspruch einzulegen. Eine Begründung wird in Abstimmung mit dem Landesverwaltungsamt nachgereicht, nachdem das persönliche Gespräch mit der oberen Kommunalaufsichtsbehörde stattgefunden hat.

 

Herr Sonnenberger erklärte, dass die Fraktion Freie Wähler für den Beschlussantrag stimmen wird, da zunächst erst einmal fristgerecht Widerspruch eingelegt werden muss. Die Erarbeitung der Sachverhalte sei seit heute etwas klarer, nach den Ausführungen des Geschäftsführers Dr. Rottleb.

Weiterhin seien für 2021 die Kosten in der prognostizierten Höhe (3 Mio. Euro) nicht notwendig, das sollte ebenfalls ein Argument dafür sein, insgesamt nun anders an die Sache heranzugehen – nicht das Maximum an Verlust wählen, sondern erklären, was realistisch erreicht werden kann, so Herr Sonnenberger. 

Weiterhin forderte Herr Sonnenberger, dass der Kreistag alsbald über die Sachdarstellung informiert werden sollte.

 

Herr Dittmann beantragte, eine Pause zur Abstimmung innerhalb der Fraktionen einzulegen.

Zu diesem Geschäftsordnungsantrag gab es keine Wortmeldungen und Herr Gatter ließ wie folgt abstimmen:

 

Der Antrag, eine Pause einzulegen, wurde einstimmig, bei 2 Enthaltungen, bestätigt.

Zuvor folgten noch folgende Wortmeldungen:

 

(Herr Zimmer gekommen = 41+1 = 76,36 %)

 

Frau Zoschke erklärte, dass sie die Beanstandung des Landesverwaltungsamtes so erwartet habe. Das Landesverwaltungsamt schaue als erstes auf die wirtschaftliche Situation einer Station in dem gesamten Krankenhaus. Sie erinnerte an die lange Diskussion, inwieweit die wirtschaftliche Situation dieser einen Station tatsächlich dazu führen sollte, dieses Krankenhaus um diese Station zu reduzieren. Es handelt sich weiterhin um eine politische Entscheidung, man sei nicht nur der wirtschaftlichen Situation einer Station, sondern des ganzen Krankenhauses insgesamt verpflichtet, sowie den Bürgerinnen und Bürgern.

Frau Zoschke erklärte weiterhin, dass man nicht davor zurückschrecken sollte, nur weil das Landesverwaltungsamt aus seiner rechtlichen Sicht etwas beurteilt. Es gehört mehr dazu, einen Landkreis zu lenken und zu leiten, dass sei auch eine politische Aufgabe.

Sie bat darum, dem Widerspruch heute zuzustimmen. Weiterhin bat sie den Landrat um zeitnahe Übersendung der Widerspruchsbegründung an alle Kreistagsmitglieder.

 

Herr Ziegler bedankte sich für die umfangreichen Ausführungen des Herrn Dr. Rottleb.

Herr Ziegler sagte nochmals eindringlich, dass die Stadt Bitterfeld-Wolfen dringend eine Geburts- und Frauenklinik brauche und bat, dem Widerspruch heute zuzustimmen.

 

Herr Schönemann bemängelte, dass die juristische Wertung zu diesem Tagesordnungspunkt fehle. Weiterhin fehle ihm eine Vision, dass bestimmte Problematiken durchgespielt und mitgeteilt werden. Was würde geschehen, wenn heute der Beschluss gefasst wird, die Beanstandung des Landes-verwaltungsamtes zu verwerfen? Wird dann Klage eingereicht, wird dieses Risiko eingegangen? Diese Leitlinien fehlen bisher seitens des Landkreises.

Weiterhin fragte Herr Schönemann, ob die Hebammen rein rechtlich andere Arbeiten ausführen dürfen? Wenn nein, wie werden diese beschäftigt und bezahlt?

Herr Dr. Rottleb antworte hierauf, dass noch 3 Hebammen da sind, welche als Pflegehilfskräfte tätig sind. Es ist zulässig, diese als solche in den Stationsalltag zu integrieren. Die vierte Hebamme, die jetzt eingestellt wird, wird übergangsweise auf der Kinderstation als Pflegehilfskraft eingesetzt werden.

Herr Grabner erklärte weiterhin, dass an den Visionen derzeit gearbeitet wird. Er bat um Entschuldigung, dass diese noch nicht abschließend vorliegen. Es wurde schon das 3. Gespräch mit den beiden in Frage kommenden Ärzten geführt und diese hatten bereits bestimmte Möglichkeiten aufgezeigt, welche derzeit schriftlich festgehalten werden. Somit kann vermutlich abgeschätzt werden, inwieweit diese vorgesehenen Zuschüsse beansprucht werden. Die avisierten 6 Mio. Euro werden nicht aufgebraucht werden; dass es aber einen Zuschuss für eine Anlaufphase geben wird, muss jedem bewusst sein.

Zur Frage der Klageeinreichung antwortete Herr Grabner, dass diese dann die weitere Option wäre, was die Zeit und das Gespräch mit dem Landesverwaltungsamt zeigen wird, inwieweit es zu einer möglichen einzureichenden Klage kommen muss.

 

Herr Roi regte an, wenn der Landkreis in Widerspruch geht, dann muss entsprechend argumentiert und dargelegt werden, wie sich die Situation im Landkreis darstellt. Alle fünf Kommunen des Altkreises Anhalt-Bitterfeld sowie 52 % der Bürger des Landkreises haben sich für die Klinik ausgesprochen, dass muss aus Sicht von Herrn Roi mit in die Begründung einfließen. Er schlug vor, die Bürger-meister sowie die Fraktionsvorsitzenden bei der Erstellung der Begründung mit einzubeziehen.

 

Herr Gatter unterbrach die Sitzung für eine 10-minütige Pause.

 

Herr Grabner griff den Vorschlag der Fraktion SPD-Grüne auf und machte sich diesen zu eigen. Hierbei soll der Beschlusstext um den Punkt 2 erweitert werden: „Die entsprechende Begründung wird zur Kreistagssitzung am 23.09.2021 vorgelegt.“


Herr Gatter ließ sodann über die geänderte Vorlage wie folgt abstimmen:


Die geänderte Vorlage 0401/2021 wurde mehrheitlich mit 37 Ja-Stimmen und 3 Gegenstimmen, bei 2 Enthaltungen, bestätigt.