Sitzung: 09.11.2023 Kreistag
Beschluss: einstimmig beschlossen
Abstimmung: Ja: 40, Enthaltungen: 3
Vorlage: BV/0861/2023
Der
Kreistag des Landkreises Anhalt-Bitterfeld beschließt die überplanmäßigen
Aufwendungen für den Fachbereich Kinder, Jugend und Familie in Höhe von
2.725.000,00 EUR für das Haushaltsjahr 2023, damit die Aufgabenerfüllung im
Bereich der Hilfen zur Erziehung gewährleistet werden kann.
Herr Roi bat um eine Erklärung zu den
Kostenexplosionen. Es gab dies bereits im Zusammenhang mit der Erweiterung der
Förderschule in Bitterfeld. Hier redet man von 225 Hilfefällen und 16,1 Mio.
Euro insgesamt. Was sind die Ursachen. Sind hier auch der Bereich Uma‘s mit
drin? Sind hier die Folgen der Corona-Maßnahmen die Ursache, welche bereits in
einem Statement des Landrates angesprochen wurden. Woran liegt es, dass man
hier solch einen Aufwuchs hat und eine derartige Kostenexplosion, die einem die
Luft zum Atmen nimmt?
Herr Grabner erklärte, dass uns alle Träger aufgefordert
haben, neu zu verhandeln. Es mussten neue Verträge mit dem Träger abgeschlossen
werden. Diese sind deutlich höher, als sie ursprünglich waren. Das hängt auch
mit den Tarifsteigerungen und der Corona-Sonderprämie zusammen, welche die
Träger auch zahlen. Andererseits ist es ein Aufwuchs bei der Unterbringung.
Es wurde eine Arbeitsgruppe
ins Leben gerufen, die sich mit verschiedenen Punkten auseinandersetzt. Das
betrifft auch die gesteigerte Beschulung in den Förderschulen und grundsätzlich
die sozialen Schwerpunkte. Man wird hier fachbereichsübergreifend Erkundungen
anstellen, um dann ggf. Maßnahmen treffen zu können.
Herr Grimm äußerte, dass die Kostensteigerung zu
erwarten war, aber letztendlich nicht beziffert werden konnte. Mittlerweile
haben alle Träger von sozialen Einrichtungen die Betreuungsverträge gekündigt
und neu verhandelt. Man hat eine Preisexplosion im Energiesektor, die
Einmalzahlungen und die Personalkostenerhöhungen mit reinnehmen müssen. Man hat
eine Erhöhung der Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen aus Notsituationen
i.H.v. 40% im Vergleich zum Vorjahr. Die Finanzierung für Pflegekinder habe
sich erhöht. Es gibt eine Pflegegeldtabelle, eine Empfehlung des Landes
Sachsen-Anhalt, welche immer sehr zurückhaltend war. Im nächsten Jahr kommt es
nach vielen Jahren zu einer drastischeren Erhöhung, durch die
Energiepreiserhöhung und Lebensmittelkostenerhöhung. Mittlerweile haben wir
über 200 Pflegekinder. Das wird sich ab Januar wiederfinden. Deshalb deutete
der Landrat auch an, dass im Bereich Kinder- und Jugendhilfe diese Erhöhung
vorgesehen ist. Die Verordnung liegt jedoch noch nicht vor, so dass man sich
nur auf mündliche Aussagen verlassen kann.
Weiterhin ist ein Anstieg zu
verzeichnen auf 200 Heimkinder, welche sich in Hilfe zur Erziehung befinden.
Vor einem Jahr hatten wir etwa 11 Unbegleitete minderjährige Ausländer in den
Einrichtungen, mittlerweile sind es 64, Zuweisungen für ca. 10 liegen vor.
Diese dürfen nicht in Mannschaftsunterkünften untergebracht werden, sondern sie
haben einen Rechtsanspruch und man ist verpflichtet, sie in
Jugendhilfeeinrichtungen unterzubringen. Diese haben einen Anspruch an
Ausstattung und Personal und müssen vom Landesjugendamt als Betriebserlaubnisbehörde
genehmigt werden. Mittlerweile sind im Landkreis alle Plätze belegt und man
muss sich Gedanken machen über weitere Unterbringungen.
Herr Roi bezog sich auf die UmA’s und fragte, ob
nach wie vor keine Altersfeststellung stattfindet. Wie sieht hier die
Erstattungsquote aus? Die Pro-Kopf-Pauschalen sind laut Herrn Böddeker
ausreichend. Es ist fraglich, ob derjenige unter 18 Jahre ist. Man kennt einige
Fälle, wo es nicht der Fall war. Wie hoch, in Prozent gesehen, ist die
Erstattungsquote für diese bald 74 Jugendlichen.
Bei 40% Aufwuchs bei den
Kindern, die in Sachsen-Anhalt eine besondere Betreuung brauchen würde ihn
interessieren, ob es daran liegt, dass die Kinder auf Grund der Corona-Krise
Nachteile in der Sozialkompetenz haben und nicht mehr schulfähig sind. Es
sollte mal ausgesprochen werden, was den Kindern hier nicht nur an seelischen,
sondern auch finanziellen Folgen entstanden sind. Der Landkreis müsste eine
Rechnung aufmachen Richtung denjenigen, die diese Maßnahme getroffen haben. Das
ist in allererster Linie die Bundesregierung. Man wird alleingelassen. Er
möchte, dass das im Landkreis mal aufgearbeitet und beziffert wird, was dann am
Ende übrigbleibt und nicht erstattet wird. Diese Zahlen müssen dem Land und
Bund gegenüber mitgeteilt werden. Es sind mittlerweile Größenordnungen, die man
keinem Bürger mehr vermitteln kann.
Herr Grimm sagte, dass die Erhöhung um 40% auch die
UmA’s beinhaltet, die man nicht separat als Inobhutnahme von UmA’s ausweisen
können. Wegen den Corona-Maßnahmen ist man nicht in der Lage, das im Landkreis
wissenschaftlich aufzuarbeiten. Man sieht Vernachlässigungstendenzen. Es sind
mehr Kinder da, die größere Beeinträchtigungen haben. Die Tendenz war vor
Corona schon da. Im Bereich der Eingliederungshilfe gab es viele psychisch
Erkrankte. Teilleistungsstörungen sind eine stetige Entwicklung. Man hat einen
Mehrbedarf für solche Hilfen, aber die Ursachen dafür wurden nicht untersucht.
Bei der Kostenerstattung für
UmA’s ist die Erstattungsquote relativ hoch, wenn man sich an die gesetzlichen
Vorschriften hält. Per Zuweisungsbescheid bekommt man Kinder- und Jugendliche
zugewiesen. Innerhalb bestimmter Zeiten muss man dem Familiengericht anzeigen,
dass dieser Jugendliche da ist und einen Vormund braucht. Somit wird der Vorgang
eröffnet. Die Träger der Jugendhilfe rechnen dann beim Landkreis ab mit
Kostennachweisen, Kassenzetteln etc. Zu Beginn des Prozedere wird eine
Kostenübernahmeerklärung durch das Land eingeholt. Somit bekommt man alles was
anfällt, plus einer Verwaltungskostenpauschale, erstattet.
Die Altersfeststellung ist vom
Willen und der Zustimmung des Jugendlichen abhängig. Bei Ablehnung muss ein
Gerichtsbeschluss herbeigeführt werden und man muss dem Gericht nachweisen, wo
unsere Anhaltspunkte liegen, dass dieser Jugendliche wirklich älter ist als 18
Jahre. Ansonsten laufen sie mit der Altersangabe durch, die sie hier angeben,
da im Regelfall keine Papiere vorliegen. Auffällig ist, dass sich die
Herkunftsländer herauskristallisieren. Man hat jetzt viel Afghanistan und
Türkei im Asylbegehren.
Herr Grabner erklärte, dass man stark davon ausgeht,
dass ein gewisser prozentualer Anteil sowohl an der Förderschulbeschulung als
auch an der Erhöhung der Sozialfälle schon in engem Zusammenhang mit der
Corona-Situation insgesamt bestehen. Die Kinder der Arbeitslosen hatten keinen
Anspruch auf einen Kita-Platz. Die Kinder mussten zu Hause untergebracht
werden. Hier geht man davon aus, dass perspektivisch ein leichter Rückgang zu
verzeichnen ist.
Auch die
Schuleingangsuntersuchung wurden zum Teil nicht wahrgenommen, wo bereits
empfohlen wird, die Kinder auf einer normalen Schule oder einer Förderschule zu
beschulen.
Man versucht hier eine Lösung
zu finden, um die Kinder, die nichts dafür können, wieder in einen normalen
Lebenszyklus führen zu können.
Die Vorlage 0861/2023
wurde einstimmig mit 40 Ja-Stimmen, bei 3 Enthaltungen, bestätigt.