Herr Hemmerling erklärte anhand der Beratungsfolge der Gremien Rechnungsprüfungsausschuss, Kreis- und Finanzausschuss sowie Kreistag, warum dieser Rechnungsprüfungsausschuss aus terminlichen Gründen zusätzlich einberufen werden musste. Er gab einige Erläuterungen zum o. g. Tagesordnungspunkt ab und erklärte, dass die Abgabe dieser Stellungnahme bis zum 31.03.2022 beim Landesrechnungshof zu erfolgen hat.

 

Herr Hemmerling erteilte Herrn Lucas, Fachbereichsleiter der Kämmerei, für grundsätzliche Ausführungen das Wort.

 

Herr Lucas begrüßte die Anwesenden und berichtete wie folgt:

 

„Der Landesrechnungshof (LRH) führte eine überörtliche Prüfung der Kassenorganisation im Landkreis Anhalt-Bitterfeld durch. Mit Schreiben vom 30.08.2021 übersandte der LRH den Berichtsentwurf. Hierzu fand am 21.10.2021 ein Abschlussgespräch zwischen Vertretern des LRH und des Landkreises statt. In dessen Folge wurde der Bericht zur oben genannten Prüfung am 29.10.2021 übersandt. Gleichzeitig stellte der LRH fest, dass die Prüfung als abgeschlossen anzusehen ist. Darüber hinaus wurde um Stellungnahme bis zum 31.03.2022 gebeten. Vorher müssen die Gremien Rechnungsprüfungsausschuss, Kreis- und Finanzausschuss sowie der Kreistag beteiligt werden.“ 

 

Herr Lucas berichtete weiter in einer Zusammenfassung:

 

„Der Landkreis Anhalt-Bitterfeld hatte bereits im Jahr 2020 begonnen, die ausstehenden Jahresabschlüsse zu erarbeiten. Dies erfolgte unter Nutzung der erleichterten neuen Regelungen des Runderlasses des Ministeriums für Inneres und Sport vom 15.10.2020. Trotz Einschränkungen durch den Cyberangriff konnten bis zum Ende des Jahres 2021 die Jahresabschlüsse bis einschließlich 2018 erstellt und dem Rechnungsprüfungsamt zur Prüfung übergeben werden. Zielstellung ist es, die Jahresabschlüsse 2019 und 2020 zeitnah bis zum 30.06.2022 sowie den Jahresabschluss 2021 bis zum 31.12.2022 fertigzustellen, so dass eine Beurteilung der tatsächlichen Haushaltssituation entgegen der Auffassung des LRH mittelfristig möglich ist.

 

Der LRH kritisierte fehlende Dienstanweisungen bzw. die unkonkreten, nicht aktualisierten Regelungen in den Dienstanweisungen des Landkreises über den Kassenbereich hinaus. Betroffen sind auch die Bereiche IT und Antikorruption.

Aktualisierungen wurden bereits durch den Landkreis veranlasst, Entwürfe liegen vor.

 

Er bewertet die Bearbeitung von Forderungen im Landkreis als unwirtschaftlich und empfiehlt den Aufbau eines modernen Forderungsmanagements.

Die konzeptionelle Erarbeitung eines modernen Forderungsmanagements unter betriebswirtschaftlichen Grundsätzen wird einige Zeit in Anspruch nehmen, da in die Organisation des Landkreises eingegriffen werden muss. Zurzeit wird ein Konzept erstellt, woraus die Überprüfung der personellen Ausstattung des Mahn- und Vollstreckungswesens folgt und angepasst werden wird. Die derzeit schwierige Personalakquise in diesem Bereich wird die Umsetzung des Konzeptes ebenfalls beeinflussen. Neu ist, dass die Kreiskasse in 2 Bereiche unterteilt wurde, den FD Kreiskasse und den FD Vollstreckung/Vollzug. Die Stelle der Leitung Vollstreckung/Vollzug ist wieder vakant.

 

Der LRH moniert, dass fremde Kassengeschäfte ohne Regelungsgrundlagen vorgenommen werden, dies betrifft hier speziell die Regionale Planungsgemeinschaft.

Hier ist die Anordnung des Landrates über die vertraglichen Grundlagen zur Erbringung der Leistungen seitens der Regionalen Planungsgemeinschaft derzeit veranlasst worden. 

 

Nach Auffassung des LRH hat der Landkreis dafür Sorge zu tragen, dass die Anwenderprüfung der eingesetzten elektronischen Verfahren im Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen ordnungsgemäß erfolgen muss.

Hierzu wurde durch den Fachbereich EDV (Digitalisierung und Informationstechnik) ein Verfahren dargelegt, durch welches eine ordnungsgemäße Anwenderprüfung und Freigabe gewährleistet wird.

 

Das Rechnungsprüfungsamt hat nach Ansicht des LRH im Jahr 2017 seine Pflichtaufgabe zur Durchführung von Kassenprüfungen und Kassenbestandsaufnahmen nicht erfüllt. Der Fachbereich Rechnungsprüfung stellt zukünftig sicher, dass alle Aufgaben erfüllt werden. 

 

Die durchgeführten Kassenbestandsaufnahmen durch den Kassenaufsichtsbeamten sind nach Meinung des LRH ebenfalls nicht ausreichend.

Entsprechend der Empfehlung des LRH werden zukünftig Kassenprüfungen in regelmäßigen Abständen eigenständig durch den Kassenaufsichtsbeamten durchgeführt und dokumentiert.

 

Der LRH kritisiert, dass die Feststellungen des Rechnungsprüfungsamtes durch den Landkreis nicht umgesetzt worden sind und erwartet, dass die Beanstandungen abgestellt werden und den Empfehlungen des Rechnungsprüfungsamtes gefolgt wird.

Aufgrund des hohen Krankenstandes in der Kreiskasse und wechselnder Kassenleitungen war es zeitlich nicht möglich, die Feststellungen des Rechnungsprüfungsamtes zeitnah umzusetzen. Hierauf wird in Zukunft mehr geachtet.“

 

Herr Lucas erklärte, dass dies von seiner Seite aus erst einmal eine grobe Zusammenfassung wäre und diverse Probleme erkannt wurden, welche jetzt nach und nach abgearbeitet werden müssen. Dies betrifft auch die Dienstanweisungen.

Er bedankte sich bei den Anwesenden für ihre Aufmerksamkeit und bat um Wortmeldungen bei evtl. auftretenden Fragen.

 

 

Herr Schildt „Die Beurteilung der tatsächlichen Haushaltssituation des Landkreises ohne geprüfte Jahresabschlüsse ist nur sehr eingeschränkt möglich. Die Jahresabschlüsse der Haushaltsjahre 2017 und 2018 wurden dem Rechnungsprüfungsamt am 29.12.2021 zur Prüfung übergeben. Die Jahresabschlüsse 2019 und 2020 sollen bis zum 30.06.2022 erstellt werden.“

 

Hierzu und zu folgenden Feststellungen des Landesrechnungshofes bat Herr Schildt um nähere Erklärungen seitens der Verwaltung:

 

„Ist aus den Ergebnissen der Jahre 2017 und 2018 schon erkennbar, dass Defizite aus diesen beiden Jahren in einer Übertragung in den Haushaltsplan 2023 schon mit übernommen werden müssen? Das gleiche gilt auch für die Jahre 2019, 2020 und evtl. 2021. 

Sind im Haushalt oder in der Bilanz Rückstellungen für den Fall getätigt worden, dass Negativ-ergebnisse aus den zurückliegenden Jahren mit ausgeglichen werden können?

 

In den Dienstanweisungen wurden nirgendwo Verantwortlichkeiten und Termine festgelegt. Dies ist ein grundsätzliches Problem, welches geändert werden muss. 

 

Es wurde festgestellt, dass Kassenautomaten aufgrund des Cyberangriffs nicht mehr betriebsfähig sind. Alle Einzahlungen und Auszahlungen müssen demnach über die Barkasse abgewickelt werden. Daraus folgt, dass die Mitarbeiter*innen regelmäßig das Geld manuell zählen müssen, um es der Bank zu übergeben. Die Prüfdichte muss erhöht werden, mindestens einmal monatlich.

 

Zu den getroffenen Feststellungen des Landesrechnungshofes müssen Termine und Verantwortlichkeiten festgelegt, die Themenkomplexe abgearbeitet und Kontrollen durchgeführt werden.

 

Liegen schon Ergebnisse zu den geprüften Jahresabschlüssen vor? Sind diese negativ oder positiv? Wie und wann werden diese mit in den Haushalt eingefügt?“ 

 

Herr Hemmerling bat Herrn Lucas die o. g. Anfragen und Bemerkungen von Herrn Schildt Schritt für Schritt abzuarbeiten.

 

Herr Lucas gab einen kleinen Ausblick auf die Jahre 2014 bis 2018 ab. „Die Jahresergebnisse werden vorbehaltlich der Prüfung des Rechnungsprüfungsamtes positiv sein. Hier besteht wenig Gefahr, dass die zukünftigen Jahre mit belastet werden. Dies betrifft den Ergebnishaushalt.

 

Wichtiger wäre es den Finanzhaushalt zu betrachten, hier besteht das Problem mit den Liquiditätskrediten. Mit der Genehmigung zum Haushalt wird die Verwaltung jedes Mal verpflichtet, ein Konzept zum Abbau dieser mit aufzustellen. Es besteht hier wenig Gefahr, dass wir in Zukunft die Jahre mit einem negativen Jahresergebnis des Ergebnishaushaltes belasten. 

Das Jahr 2013 schloss negativ mit 4,6 Mio. EUR ab, diese werden in den Folgejahren mit berechnet.

 

Die Kassenautomaten wurden wieder in Betrieb genommen, Probleme gab es aber noch beim Quittungsdruck. Des Weiteren müssen die Fachprogramme hier noch alle vollumfänglich an das Netz angeschlossen werden.

Die Barkasse ist immer mit 2 Mitarbeitern*innen besetzt, es erfolgt das 4-Augenprinzip. Der Kassenbestand wurde an Auszahltagen überschritten, dies war mit den Versicherungsunternehmen abgesprochen. Bankeinzahlungen erfolgten gleich noch am selben Tag.“ Herr Lucas gab noch nähere Ausführungen zum Sachverhalt.

 

„Die Dienstanweisungen speziell im Finanzbereich werden zurzeit überarbeitet und müssen dem Organisationsbereich mit zur Prüfung vorgelegt werden. Zum Kreis- und Finanzausschuss sowie im Kreistag wird hierfür in Absprache mit dem Landrat eine Zielstellung erfolgen.“

 

Herr Kröber bemängelte ebenfalls das Fehlen der Terminstellungen bei der Erarbeitung bzw. Überarbeitung von Dienstanweisungen.

 

„Das Rechnungsprüfungsamt hat keinen technischen Prüfer. Wer soll die Anwendungsprogramme zertifizieren? Muss sich darum jemand aus den Fachabteilungen kümmern? Es gibt ja auch schon bestehende laufende Programme, wo noch die Freigabe nach Prüfprotokoll durch den Landrat erfolgen muss. Wer kümmert sich um eine BSI-Zertifizierung für neue Fachbereichsprogramme?“

 

Herr Müller „Zurzeit hat das Rechnungsprüfungsamt keinen eigenen technischen Prüfer. Die Programme müssen durch die Verwaltung geprüft sein, wenn sie in Betrieb genommen werden. Dies muss nicht unbedingt durch eine/n Mitarbeiter*in des Fachbereiches Rechnungsprüfung erfolgen. Ein unabhängiger Mitarbeiter der Verwaltung muss bestimmt werden, welcher die Vorgaben des Programmes anwendet und dokumentiert, um festzustellen, dass nicht irgendwelche Funktionen ausgelöst werden, die zum Nachteil führen.“  

 

Herr Hemmerling bat Herrn Lucas diese gestellten Anfragen zur Terminstellung von Herrn Kröber auch mit in die nächste Beratung mit dem Landrat aufzunehmen.

 

Herr Stahl stellte fest, dass der Landkreis ein generelles Problem mit der Erstellung von Dienst- und Arbeitsanweisungen hat. Diese sind wichtig, um einheitlich handeln zu können. Dienstanweisungen müssen regelmäßig aktualisiert werden, anwenderfreundlich und verbindlich für alle Bediensteten sein. Es fehlen teilweise grundsätzliche Regelungen. Die wörtliche Wiedergabe gesetzlicher Regelungen in Dienstanweisungen ist nicht zweckmäßig.

 

„Gibt es im Landkreis generelle Reglungen zur systematischen Erstellung der Dienstanweisungen? Herr Stahl bat um nähere Erläuterungen der Handhabung, z. B. der Verwendung und Einarbeitung von Fließtexten, Wordtexten, Gesetzestexten und Realem. Gibt es hierzu eine Struktur, Systematik oder Regelung? Wer ist verantwortlich dafür?“

 

Herr Hemmerling sieht den Fachbereich Organisation bei der Erstellung von Dienstanweisungen hauptsächlich verantwortlich.

 

Diese Anfrage wird weitergeleitet und schriftlich beantwortet.

 

Herr Stahl „Wieso wurden vorherige Fachprogramme nicht entsprechend zertifiziert oder auf standardisierte Software zurückgegriffen? Den IT-Bereich gibt es doch schon über Jahre.

 

Die Aussage in der Zusammenfassung, dass eine Beurteilung der tatsächlichen Haushaltssituation entgegen der Auffassung des Landesrechnungshofes mittelfristig möglich ist, ist nicht nachvollziehbar. Der Landesrechnungshof hat dies nicht kritisiert.

 

Die Stellungnahme des Landkreises zu den Feststellungen des Landesrechnungshofes ist völlig unzureichend. Hier besteht noch Klärungsbedarf.“

 

Herr Lucas beantwortete oben genannte Anfragen und erklärte aus seiner Sicht die Schlussfolgerungen aus der Zusammenfassung zur Stellungnahme.

Er würde den Vorschlag von Herrn Stahl folgen und das Wort mittelfristig streichen.

 

Herr Kröber findet den Umgang mit den Dienstanweisungen ebenfalls als völlig unzureichend. Hier besteht noch Erklärungs- und Verbesserungsbedarf.

 

Herr Seidler „Hätte durch eine entsprechende IT-Dienstanweisung so ein Cyberangriff abgeschwächt oder entschärft werden können? Oder ist man da machtlos?“

 

Herr Hemmerling „Dienstanweisungen führen nicht automatisch dazu, dass die IT eine Sicherheitsstufe erreicht. Diese Frage ist schwer zu beantworten, ich denke aber nein.“

 

Herr Lucas „Es ist mir nicht bekannt, wie der Trojaner in das System gelangt ist. Es sind nur Mutmaßungen, ob Dienstanweisungen dies hätten verhindern können.“

 

Herr Stahl „Vielleicht hätten aber die Folgen des Cyberangriffs zum Beispiel durch Sicherungskopien verringert werden können.“

 

Es kam noch zu regen Diskussionen der Anwesenden.

 

Herr Hemmerling „Gibt es zu der Stellungnahme noch weitere Fragen oder Anmerkungen?“

 

Herr Kalisch hatte Anfragen zum Mahn- und Vollstreckungswesen. „Welche notwendige Größe an Personal muss vorgehalten werden, um ein ordnungsgemäßes Handeln der Verwaltung gewährleisten zu können?“

 

Herr Lucas gab einige Ausführungen zu oben genannter Anfrage.

„Damals gab es nur ein Sachgebiet Kasse, neben der Barkasse war hier auch die Vollstreckung angesiedelt. Zum Vollstreckungsbereich gehören auch der Innen- und der Außendienst. Der Außendienst ist zurzeit mit 4 Mitarbeiter*innen besetzt. Die ausgewiesenen 2,65 VZÄ waren so nicht richtig. Mit dem Aufbau eines Forderungsmanagements muss die Frage der Personalsituation neu betrachtet werden. Ein weiteres Personalproblem wird durch die Eingliederung der KomBA ABI zum 01.01.2023 auf uns zukommen.“ 

 

Herr Hemmerling „Laut Empfehlung des LRH muss die Personalsituation in den Bereichen Kasse und Vollstreckung neu überprüft werden. Dies stimmt mit den Ausführungen von Herrn Lucas überein.“

 

Herr Kalisch kritisierte die Stellungnahme des Landkreises zum Bericht des LRH und meinte, dass diese unbedingt überarbeitet werden muss.

 

Es gab noch einige Anfragen, welche Herr Lucas beantwortete.

 

 

Der Rechnungsprüfungsausschuss ergänzte den Beschlussvorschlag (Drucksache-Nr.: BV/0493/2022) durch folgende Hinweise:

 

1.       Dienstanweisungen aktualisieren und neu erstellen

  • Hierzu sind Termine und Verantwortlichkeiten festzulegen.

 

2.       Generell zeitliche Konkretisierung hinsichtlich der Abarbeitung der Prüffeststellungen.

 

3.       IT

  • Für die neuen und die laufenden Fachverfahren müssen Anwenderprüfungen
    erfolgen.
  • Nach der Prüfung der Fachverfahren muss der Landrat diese schriftlich freigeben.

 

4.       Stellungnahme Seite 6 – Zusammenfassung

  • 1. Absatz Streichung des Halbsatzes nach „30.06.2022 fertig gestellt“

 

 

Herr Hemmerling verlas den Beschlussvorschlag mit oben genannten Hinweisen:

 

„Der Kreistag beschließt die Stellungnahme des Landrates zum Bericht über die überörtliche Prüfung der Kassenorganisation des Landkreises Anhalt-Bitterfeld durch den Landesrechnungshof vom 29.10.2021.“

 

Die Vorlage 0493/2022 wurde bei 9 anwesenden Ausschussmitgliedern mehrheitlich mit
5 Ja-Stimmen, 3 Gegenstimmen und 1 Stimmenthaltung dem Kreistag zur Beschlussfassung empfohlen.

 

 

Es gab keine weiteren Anfragen der Anwesenden.