Sitzung: 28.02.2022 Rechnungsprüfungsausschuss
Vorlage: BV/0493/2022
Herr Hemmerling erklärte anhand der Beratungsfolge der Gremien
Rechnungsprüfungsausschuss, Kreis- und Finanzausschuss sowie Kreistag, warum
dieser Rechnungsprüfungsausschuss aus terminlichen Gründen zusätzlich
einberufen werden musste. Er gab einige Erläuterungen zum o. g.
Tagesordnungspunkt ab und erklärte, dass die Abgabe dieser Stellungnahme bis
zum 31.03.2022 beim Landesrechnungshof zu erfolgen hat.
Herr Hemmerling erteilte Herrn Lucas, Fachbereichsleiter der
Kämmerei, für grundsätzliche Ausführungen das Wort.
Herr Lucas begrüßte die Anwesenden und berichtete wie folgt:
„Der Landesrechnungshof (LRH) führte eine überörtliche Prüfung der
Kassenorganisation im Landkreis Anhalt-Bitterfeld durch. Mit Schreiben vom
30.08.2021 übersandte der LRH den Berichtsentwurf. Hierzu fand am 21.10.2021
ein Abschlussgespräch zwischen Vertretern des LRH und des Landkreises statt. In
dessen Folge wurde der Bericht zur oben genannten Prüfung am 29.10.2021
übersandt. Gleichzeitig stellte der LRH fest, dass die Prüfung als
abgeschlossen anzusehen ist. Darüber hinaus wurde um Stellungnahme bis zum
31.03.2022 gebeten. Vorher müssen die Gremien Rechnungsprüfungsausschuss,
Kreis- und Finanzausschuss sowie der Kreistag beteiligt werden.“
Herr Lucas berichtete weiter in einer Zusammenfassung:
„Der Landkreis Anhalt-Bitterfeld hatte bereits im Jahr 2020 begonnen,
die ausstehenden Jahresabschlüsse zu erarbeiten. Dies erfolgte unter Nutzung
der erleichterten neuen Regelungen des Runderlasses des Ministeriums für
Inneres und Sport vom 15.10.2020. Trotz Einschränkungen durch den Cyberangriff
konnten bis zum Ende des Jahres 2021 die Jahresabschlüsse bis einschließlich
2018 erstellt und dem Rechnungsprüfungsamt zur Prüfung übergeben werden.
Zielstellung ist es, die Jahresabschlüsse 2019 und 2020 zeitnah bis zum
30.06.2022 sowie den Jahresabschluss 2021 bis zum 31.12.2022 fertigzustellen,
so dass eine Beurteilung der tatsächlichen Haushaltssituation entgegen der
Auffassung des LRH mittelfristig möglich ist.
Der LRH kritisierte fehlende Dienstanweisungen bzw. die unkonkreten,
nicht aktualisierten Regelungen in den Dienstanweisungen des Landkreises über
den Kassenbereich hinaus. Betroffen sind auch die Bereiche IT und
Antikorruption.
Aktualisierungen wurden bereits durch den Landkreis veranlasst, Entwürfe
liegen vor.
Er bewertet die Bearbeitung von Forderungen im Landkreis als
unwirtschaftlich und empfiehlt den Aufbau eines modernen Forderungsmanagements.
Die konzeptionelle Erarbeitung eines modernen Forderungsmanagements
unter betriebswirtschaftlichen Grundsätzen wird einige Zeit in Anspruch nehmen,
da in die Organisation des Landkreises eingegriffen werden muss. Zurzeit wird
ein Konzept erstellt, woraus die Überprüfung der personellen Ausstattung des
Mahn- und Vollstreckungswesens folgt und angepasst werden wird. Die derzeit
schwierige Personalakquise in diesem Bereich wird die Umsetzung des Konzeptes
ebenfalls beeinflussen. Neu ist, dass die Kreiskasse in 2 Bereiche unterteilt
wurde, den FD Kreiskasse und den FD Vollstreckung/Vollzug. Die Stelle der Leitung
Vollstreckung/Vollzug ist wieder vakant.
Der LRH moniert, dass fremde Kassengeschäfte ohne Regelungsgrundlagen
vorgenommen werden, dies betrifft hier speziell die Regionale
Planungsgemeinschaft.
Hier ist die Anordnung des Landrates über die vertraglichen Grundlagen
zur Erbringung der Leistungen seitens der Regionalen Planungsgemeinschaft
derzeit veranlasst worden.
Nach Auffassung des LRH hat der Landkreis dafür Sorge zu tragen, dass
die Anwenderprüfung der eingesetzten elektronischen Verfahren im Haushalts-,
Kassen- und Rechnungswesen ordnungsgemäß erfolgen muss.
Hierzu wurde durch den Fachbereich EDV (Digitalisierung und
Informationstechnik) ein Verfahren dargelegt, durch welches eine ordnungsgemäße
Anwenderprüfung und Freigabe gewährleistet wird.
Das Rechnungsprüfungsamt hat nach Ansicht des LRH im Jahr 2017 seine
Pflichtaufgabe zur Durchführung von Kassenprüfungen und Kassenbestandsaufnahmen
nicht erfüllt. Der Fachbereich Rechnungsprüfung stellt zukünftig sicher, dass
alle Aufgaben erfüllt werden.
Die durchgeführten Kassenbestandsaufnahmen durch den
Kassenaufsichtsbeamten sind nach Meinung des LRH ebenfalls nicht ausreichend.
Entsprechend der Empfehlung des LRH werden zukünftig Kassenprüfungen in
regelmäßigen Abständen eigenständig durch den Kassenaufsichtsbeamten
durchgeführt und dokumentiert.
Der LRH kritisiert, dass die Feststellungen des Rechnungsprüfungsamtes
durch den Landkreis nicht umgesetzt worden sind und erwartet, dass die
Beanstandungen abgestellt werden und den Empfehlungen des Rechnungsprüfungsamtes
gefolgt wird.
Aufgrund des hohen Krankenstandes in der Kreiskasse und wechselnder
Kassenleitungen war es zeitlich nicht möglich, die Feststellungen des
Rechnungsprüfungsamtes zeitnah umzusetzen. Hierauf wird in Zukunft mehr
geachtet.“
Herr Lucas erklärte, dass dies von seiner Seite aus erst
einmal eine grobe Zusammenfassung wäre und diverse Probleme erkannt wurden,
welche jetzt nach und nach abgearbeitet werden müssen. Dies betrifft auch die
Dienstanweisungen.
Er bedankte sich bei den Anwesenden für ihre Aufmerksamkeit und
bat um Wortmeldungen bei evtl. auftretenden Fragen.
Herr Schildt „Die Beurteilung der tatsächlichen
Haushaltssituation des Landkreises ohne geprüfte Jahresabschlüsse ist nur sehr
eingeschränkt möglich. Die Jahresabschlüsse der Haushaltsjahre 2017 und 2018
wurden dem Rechnungsprüfungsamt am 29.12.2021 zur Prüfung übergeben. Die
Jahresabschlüsse 2019 und 2020 sollen bis zum 30.06.2022 erstellt werden.“
Hierzu und zu folgenden Feststellungen des Landesrechnungshofes bat Herr
Schildt um nähere Erklärungen seitens der Verwaltung:
„Ist aus den Ergebnissen der Jahre 2017 und 2018 schon erkennbar, dass
Defizite aus diesen beiden Jahren in einer Übertragung in den Haushaltsplan
2023 schon mit übernommen werden müssen? Das gleiche gilt auch für die Jahre
2019, 2020 und evtl. 2021.
Sind im Haushalt oder in der Bilanz Rückstellungen für den Fall getätigt
worden, dass Negativ-ergebnisse aus den zurückliegenden Jahren mit ausgeglichen
werden können?
In den Dienstanweisungen wurden nirgendwo Verantwortlichkeiten und
Termine festgelegt. Dies ist ein grundsätzliches Problem, welches geändert
werden muss.
Es wurde festgestellt, dass Kassenautomaten aufgrund des Cyberangriffs
nicht mehr betriebsfähig sind. Alle Einzahlungen und Auszahlungen müssen
demnach über die Barkasse abgewickelt werden. Daraus folgt, dass die
Mitarbeiter*innen regelmäßig das Geld manuell zählen müssen, um es der Bank zu
übergeben. Die Prüfdichte muss erhöht werden, mindestens einmal monatlich.
Zu den getroffenen Feststellungen des Landesrechnungshofes müssen
Termine und Verantwortlichkeiten festgelegt, die Themenkomplexe abgearbeitet
und Kontrollen durchgeführt werden.
Liegen schon Ergebnisse zu den geprüften Jahresabschlüssen vor? Sind
diese negativ oder positiv? Wie und wann werden diese mit in den Haushalt
eingefügt?“
Herr Hemmerling bat Herrn Lucas die o. g. Anfragen und
Bemerkungen von Herrn Schildt Schritt für Schritt abzuarbeiten.
Herr Lucas gab einen kleinen Ausblick auf die Jahre 2014 bis
2018 ab. „Die Jahresergebnisse werden vorbehaltlich der Prüfung des
Rechnungsprüfungsamtes positiv sein. Hier besteht wenig Gefahr, dass die
zukünftigen Jahre mit belastet werden. Dies betrifft den Ergebnishaushalt.
Wichtiger wäre es den Finanzhaushalt zu betrachten, hier besteht das
Problem mit den Liquiditätskrediten. Mit der Genehmigung zum Haushalt wird die
Verwaltung jedes Mal verpflichtet, ein Konzept zum Abbau dieser mit
aufzustellen. Es besteht hier wenig Gefahr, dass wir in Zukunft die Jahre mit
einem negativen Jahresergebnis des Ergebnishaushaltes belasten.
Das Jahr 2013 schloss negativ mit 4,6 Mio. EUR ab,
diese werden in den Folgejahren mit berechnet.
Die Kassenautomaten wurden wieder in Betrieb genommen, Probleme gab es
aber noch beim Quittungsdruck. Des Weiteren müssen die Fachprogramme hier noch
alle vollumfänglich an das Netz angeschlossen werden.
Die Barkasse ist immer mit 2 Mitarbeitern*innen besetzt, es erfolgt das
4-Augenprinzip. Der Kassenbestand wurde an Auszahltagen überschritten, dies war
mit den Versicherungsunternehmen abgesprochen. Bankeinzahlungen erfolgten
gleich noch am selben Tag.“ Herr Lucas gab noch nähere Ausführungen zum
Sachverhalt.
„Die Dienstanweisungen speziell im Finanzbereich werden zurzeit
überarbeitet und müssen dem Organisationsbereich mit zur Prüfung vorgelegt
werden. Zum Kreis- und Finanzausschuss sowie im Kreistag wird hierfür in
Absprache mit dem Landrat eine Zielstellung erfolgen.“
Herr Kröber bemängelte ebenfalls das Fehlen der
Terminstellungen bei der Erarbeitung bzw. Überarbeitung von Dienstanweisungen.
„Das Rechnungsprüfungsamt hat keinen technischen Prüfer. Wer soll die
Anwendungsprogramme zertifizieren? Muss sich darum jemand aus den
Fachabteilungen kümmern? Es gibt ja auch schon bestehende laufende Programme,
wo noch die Freigabe nach Prüfprotokoll durch den Landrat erfolgen muss. Wer
kümmert sich um eine BSI-Zertifizierung für neue Fachbereichsprogramme?“
Herr Müller „Zurzeit hat das Rechnungsprüfungsamt keinen
eigenen technischen Prüfer. Die Programme müssen durch die Verwaltung geprüft
sein, wenn sie in Betrieb genommen werden. Dies muss nicht unbedingt durch
eine/n Mitarbeiter*in des Fachbereiches Rechnungsprüfung erfolgen. Ein
unabhängiger Mitarbeiter der Verwaltung muss bestimmt werden, welcher die
Vorgaben des Programmes anwendet und dokumentiert, um festzustellen, dass nicht
irgendwelche Funktionen ausgelöst werden, die zum Nachteil führen.“
Herr Hemmerling bat Herrn Lucas diese gestellten Anfragen
zur Terminstellung von Herrn Kröber auch mit in die nächste Beratung mit
dem Landrat aufzunehmen.
Herr Stahl stellte fest, dass der Landkreis ein generelles
Problem mit der Erstellung von Dienst- und Arbeitsanweisungen hat. Diese sind
wichtig, um einheitlich handeln zu können. Dienstanweisungen müssen regelmäßig
aktualisiert werden, anwenderfreundlich und verbindlich für alle Bediensteten
sein. Es fehlen teilweise grundsätzliche Regelungen. Die wörtliche Wiedergabe
gesetzlicher Regelungen in Dienstanweisungen ist nicht zweckmäßig.
„Gibt es im Landkreis generelle Reglungen zur systematischen Erstellung
der Dienstanweisungen? Herr Stahl bat um nähere Erläuterungen der
Handhabung, z. B. der Verwendung und Einarbeitung von Fließtexten, Wordtexten,
Gesetzestexten und Realem. Gibt es hierzu eine Struktur, Systematik oder
Regelung? Wer ist verantwortlich dafür?“
Herr Hemmerling sieht den Fachbereich Organisation bei der
Erstellung von Dienstanweisungen hauptsächlich verantwortlich.
Diese Anfrage wird weitergeleitet und schriftlich
beantwortet.
Herr Stahl „Wieso wurden vorherige Fachprogramme nicht
entsprechend zertifiziert oder auf standardisierte Software zurückgegriffen?
Den IT-Bereich gibt es doch schon über Jahre.
Die Aussage in der Zusammenfassung, dass eine Beurteilung der
tatsächlichen Haushaltssituation entgegen der Auffassung des
Landesrechnungshofes mittelfristig möglich ist, ist nicht
nachvollziehbar. Der Landesrechnungshof hat dies nicht kritisiert.
Die Stellungnahme des Landkreises zu den Feststellungen des
Landesrechnungshofes ist völlig unzureichend. Hier besteht noch
Klärungsbedarf.“
Herr Lucas beantwortete oben genannte Anfragen und
erklärte aus seiner Sicht die Schlussfolgerungen aus der Zusammenfassung zur
Stellungnahme.
Er würde den Vorschlag von Herrn Stahl
folgen und das Wort mittelfristig streichen.
Herr Kröber findet den Umgang mit den Dienstanweisungen
ebenfalls als völlig unzureichend. Hier besteht noch Erklärungs- und
Verbesserungsbedarf.
Herr Seidler „Hätte durch eine entsprechende
IT-Dienstanweisung so ein Cyberangriff abgeschwächt oder entschärft werden können?
Oder ist man da machtlos?“
Herr Hemmerling „Dienstanweisungen führen nicht automatisch dazu,
dass die IT eine Sicherheitsstufe erreicht. Diese Frage ist schwer zu
beantworten, ich denke aber nein.“
Herr Lucas „Es ist mir nicht bekannt, wie der Trojaner
in das System gelangt ist. Es sind nur Mutmaßungen, ob Dienstanweisungen dies
hätten verhindern können.“
Herr Stahl „Vielleicht hätten aber die Folgen des
Cyberangriffs zum Beispiel durch Sicherungskopien verringert werden können.“
Es kam noch zu regen Diskussionen der Anwesenden.
Herr Hemmerling „Gibt es zu der Stellungnahme noch weitere
Fragen oder Anmerkungen?“
Herr Kalisch hatte Anfragen zum Mahn- und
Vollstreckungswesen. „Welche notwendige Größe an Personal muss vorgehalten werden,
um ein ordnungsgemäßes Handeln der Verwaltung gewährleisten zu können?“
Herr Lucas gab einige Ausführungen zu oben genannter
Anfrage.
„Damals gab es nur ein Sachgebiet Kasse, neben der
Barkasse war hier auch die Vollstreckung angesiedelt. Zum Vollstreckungsbereich
gehören auch der Innen- und der Außendienst. Der Außendienst ist zurzeit mit 4
Mitarbeiter*innen besetzt. Die ausgewiesenen 2,65 VZÄ waren so nicht richtig.
Mit dem Aufbau eines Forderungsmanagements muss die Frage der Personalsituation
neu betrachtet werden. Ein weiteres Personalproblem wird durch die
Eingliederung der KomBA ABI zum 01.01.2023 auf uns zukommen.“
Herr Hemmerling „Laut Empfehlung des LRH muss die
Personalsituation in den Bereichen Kasse und Vollstreckung neu überprüft werden.
Dies stimmt mit den Ausführungen von Herrn Lucas überein.“
Herr Kalisch kritisierte die Stellungnahme des
Landkreises zum Bericht des LRH und meinte, dass diese unbedingt überarbeitet
werden muss.
Es gab noch einige Anfragen, welche Herr Lucas
beantwortete.
Der Rechnungsprüfungsausschuss ergänzte den
Beschlussvorschlag (Drucksache-Nr.: BV/0493/2022) durch folgende Hinweise:
1.
Dienstanweisungen aktualisieren und neu erstellen
- Hierzu
sind Termine und Verantwortlichkeiten festzulegen.
2.
Generell zeitliche Konkretisierung hinsichtlich der
Abarbeitung der Prüffeststellungen.
3.
IT
- Für die
neuen und die laufenden Fachverfahren müssen Anwenderprüfungen
erfolgen. - Nach
der Prüfung der Fachverfahren muss der Landrat diese schriftlich
freigeben.
4.
Stellungnahme Seite 6 – Zusammenfassung
- 1.
Absatz Streichung des Halbsatzes nach „30.06.2022 fertig gestellt“
Herr Hemmerling verlas den Beschlussvorschlag mit oben genannten
Hinweisen:
„Der Kreistag beschließt die Stellungnahme des Landrates zum Bericht
über die überörtliche Prüfung der Kassenorganisation des Landkreises
Anhalt-Bitterfeld durch den Landesrechnungshof vom 29.10.2021.“
Die Vorlage 0493/2022 wurde bei 9 anwesenden
Ausschussmitgliedern mehrheitlich mit
5 Ja-Stimmen, 3 Gegenstimmen und 1 Stimmenthaltung dem Kreistag
zur Beschlussfassung empfohlen.
Es gab keine weiteren Anfragen der Anwesenden.